Waldbaden - Exkursionen
Waldbaden – Wildnispädagogik

Waldbaden – Wildnispädagogik

Um das Einlassen auf die Natur überhaupt erst zu ermöglichen, arbeiten Waldbaden und Wildnispädagogik mit unterschiedlichen, zum Teil auch ähnlichen Mitteln. Wildnispädagogische Routinen wie regelmäßig auf den Sitzplatz zu gehen – also immer an den gleichen Platz in der Natur -, das Erweitern der Sinne und das Umherstreifen, aber auch das Sammeln und Verwerten von Pflanzen etc. kommen ähnlich auch im Waldbaden vor. Die Wildnispädagogik umfasst noch viele andere Aspekte, die beim Waldbaden nicht vorgesehen sind. Das sind Aktivitäten, die die Wahrnehmung schulen und Körper und Geist beschäftigen. Weil es eben leichter fällt, sich der Natur zunächst über das Tun zu nähern. Das Erleben bereitet den Weg zu jenem Einlassen – ähnlich wie Yoga den Weg für Meditation bereitet: Erst durch „Anspannung“, Körper und Geist beschäftigen, um dann die Ruhe überhaupt erleben zu können – wobei mit „Ruhe“ vor allem gemeint ist, dass der „Mind“, der permanent Gedanken produziert, die sich meist um Vergangenes oder Zukünftiges drehen, zur Ruhe kommt. So ist es möglich, dass das innere Plappermaul schweigt und Raum entsteht, um das Hier und Jetzt wirklich erleben zu können.

Wenn Du draußen vergisst, dass Du Dich ohne Dein Handy nicht wohl fühlst, wenn Zeit keine Rolle mehr spielt, zeigt das, dass die Verbindung hergestellt ist – die Verbindung mit dem großen Ganzen, die Verbindung mit Dir selbst. Das ist in meinen Augen das eigentliche Ziel.

Denn worum es schlussendlich beim Waldbaden wie bei der Wildnispädagogik geht, ist die Präsenz, das Da-Sein im jetzigen Augenblick, das Aufmerksam-Sein, das „Achtsam-Sein“ in der Gegenwart.

Wenn wir das wieder lernen, verändert sich unser Leben. Es fehlt uns nichts mehr. Wir sind im Frieden, Teil von etwas Größerem, „ins Sein verwoben – gut aufgehoben“ – das Ego tritt zurück. Alles fließt, Heilung und Wunder können geschehen.

Die 13 Kernroutinen der Wildnispädagogik:

Der Sitzplatz

Die Idee hinter dem Sitzplatz ist einfach: Finde einen Sitzplatz in der Natur und bleibe neugierig und still an diesem Ort. An dieser vertrauten Stelle werden die Lektionen, die dir die Natur gibt, einprägsam vermittelt. Der Sitzplatz wird zu deinem ganz persönlichen Ort. Er wird privat und intim. Hier begegnest du deiner Neugier, und deinen ganz eigenen Wundern. Es ist ein Ort, an dem du wieder Kontakt zu den Tieren aufbaust und mit den Phänomenen des Wetters auf Augenhöhe bist. Es ist ein Ort, an dem du dich wieder deinen Ängsten stellst – vor den Insekten, der Dunkelheit und dem allein sein. Hier wirst du an deinen Erfahrungen wachsen und die Natur als dein neues Zuhause erleben.

Die Wahrnehmung

Für eine Naturverbindung verwenden wir nur eine goldene Regel: Beachte alles um dich herum. Geh runter in den Dreck und fühle ihn. Öffne die Augen und erkenne alle Bewegungen. Höre den fernen Schrei des Falken und den Wind in den Bäumen. Rieche den Duft, der in der warmen Brise an dich herangetragen wird. Fühle die Richtung der Sonne. Probiere die essbaren Pflanzen. Bei jeder Gelegenheit erweitern wir das sensorische Bewusstsein, bis dies zur Routine, Praxis, Gewohnheit und zur Disziplin wird. Sinnesbewusstsein ist für unsere Entwicklung als Menschen von zentraler Bedeutung, da es das Hauptinstrument für die Beeinflussung unserer Geistesströme ist.

Es ermöglicht die Loslösung von festgefahrenen Denkmustern und Verhaltensweisen. Es schärft die Wahrnehmung der Schüler, sich zu engagieren, sich zu integrieren und mit dir zu interagieren. Die Welt der Schüler erfordert eine ständige Pflege ihrer Wahrnehmung der Natur und ihrer Beziehungen zu ihr. Die Sinne bilden die Grundlage dafür, wie man sich in der Welt definiert.

Fragen und Verfolgen

Wer? Was? Wann? Wo? Warum? Wie? Wenn du wildlebende Tiere erspähen und sie verfolgen kannst, ist das eine uralte und faszinierende Fähigkeit. Durch die Verbindung von Vorstellungskraft und Empathie werden in dieser Routine die Sinne und die Konzentrationsfähigkeit gefördert.

Auf allen Vieren zu sein und die Fußabdrücke von Tieren zu studieren, bietet eine besondere Fülle von Möglichkeiten der Sinnesschulung und der eigenen Naturerfahrung. Wie das Lesen eines eindrucksvollen Textes, studierst du die Zeichen und folgst den Spuren der Tiere. So liest du aus der Natur und behältst die Muster, die für den Rest deines Lebens in Erinnerung bleiben.

Die Tierformen

Beobachte besonders die Tiere, um zu sehen, wie Sie laufen, rennen, essen und tanzen. Danach versuche ihre Bewegungsabläufe und Verhaltensweisen zu imitieren. Diese wichtige Routine scheint ein bisschen anders zu sein als die anderen, und ist eine spielerische Herangehensweise an die Bewegungsformen der Tierwelt. Was wir in unserer Wildnispädagogik-Ausbildung Tierformen nennen, ahmt die körperlichen und geistigen Handlungen von Tieren, Vögeln, und bisweilen sogar von Gras, Wind und Wasser nach.

Diese Praxis zur Naturverbindung findet du in den Traditionen von vielen Kulturen auf der ganzen Welt wieder. Denke zum Beispiel an die vielen Kampfkünste aus Asien, die auf der Nachahmung von Tieren wie Kranich, Tiger oder Schildkröte beruhen. Viele indigene Kulturen führten nachahmende Tänze und Dramen durch, oft mit imposanten Masken und Kostüme. Der hawaiianische Hula, eine alte und moderne Tanzform, demonstriert brilliant solche Tier- und Naturtänze. Höhlenmalereien in Europa und alte europäische Geschichten weisen darauf hin, dass unsere Vorfahren vermutlich dasselbe taten.

Das Wandern

Wandere durch die Landschaft ohne Zeit, Ziel oder einen bestimmten Zweck. Sei dabei vollkommen im Moment und schlage die Richtung ein in die dich deine Neugier lenkt. Es ist alles möglich durch unstrukturierte Zeit, wandern, herumlaufen – währenddessen zeitloses, unstrukturiertes Spielen. Das selbst gesteuerte Erleben führt zu Staunen, Neugier und nachhaltigem Lernen.

Es gibt nichts zu erreichen, es geht nirgendwo hin. Indem du nur im Moment bist, führt dich deine Neugier sanft dorthin wo du deine prägenden Erfahrungen machst.

Die innere Karte

Orientiere dich an den vier Himmelsrichtungen und nehmen die Landschaft aus der Vogelperspektive wahr. Zeichne im Geiste eine Karte, mit den markanten Punkten der Landschaft und baue mit diesen eine Geschichte oder ein Lied das dir einprägsam im Gedächtnis bleibt. Mit diesem Trick kannst du dir den Weg und die Landschaft durch das erzählen der Geschichte oder singen des Liedes einprägen und vor deinem geistigen Auge visualisieren. Dies ist eine essenzielle Routine, die jedem vertraut ist, der schon einmal in einer Großstadt war. Das Zeichnen einer inneren Karte hilft uns und zeigt uns die Lücken auf, die wir nicht wahrnehmen können.

Um in der Natur zu leben müssen wir wissen, welcher Vogel dort am Sumpf war oder wohin dieser Bach führt. Es bringt die Landschaft zum Leben. Durch die Vielfalt der natürlichen Orientierungspunkte entsteht eine Verbindung zwischen den Vögeln und Beerensträucher, zwischen Wolfskot und den Wühlmäusen, zwischen Gewässern und den Bewegungen von Tieren.

Das Notizbuch

Ein Notizbuch erleichtert dir das Lernen und Erfahren in der Natur. Es ist ein handliches Heft, das dir hilft, Wildtiere oder andere Objekte in der Natur zu identifizieren. Das Handbuch nimmst du mit auf deinen Erkundungstouren und Wanderungen. Hat eine Spur, eine Pflanze oder Tier deine Aufmerksamkeit gewonnen, kannst du darin alle Merkmale festhalten. So prägen sich Formen, Farben und Arten intensiver ein. Das Notizbuch enthält meistens eine Beschreibung, eine Zeichnung und weiterführende Anmerkungen über das abgebildete Objekt. Mit einem Notizbuch erweiterst du das Wissen über die natürliche Welt und kannst die feinen Unterschiede der Pflanzen und Lebewesen festhalten.

Das Tagebuch

Deine Erlebnisse in der Natur kannst du in einem Tagebuch festhalten. Je nach Interesse und Können, kannst du dein Erlebtes mit Zeichnungen, Kunst oder Text festhalten. Tagebücher sind eine großartige Möglichkeit, Erfahrungen von Sitzplätzen aufzuzeichnen, persönliche Notizbücher oder individuelle Auszeichnungen zu gestalten.

Die Überlebenstechniken

Nichts gibt uns eine bedeutungsvollere Beziehung zur Natur, als uns den Elementen auszusetzen und vom Land zu leben. Die Grundbedürfnisse stillen zu müssen schafft die ultimative Motivation zu lernen. Das Survival lehrt uns, mit der natürlichen Welt zu interagieren, so als ob unser Leben davon abhinge, voller Demut, Vorsicht und Ernsthaftigkeit. Hier lernen wir alle grundlegenden menschlichen Bedürfnisse wie Schutz, Wasser, Feuer, Nahrung, Werkzeuge und Kleidung aus der Natur herzustellen.

Die Vorstellungskraft

Verwende deine Vorstellungskraft so intensiv wie möglich und entwickle Bilder vor deinem geistigen Auge. Erhalte so alle Informationen und Sinneseindrücke. Diese Kern-Routine der Sinnesschulung fördert unsere Vorstellungskraft und Fähigkeit, Ereignisse mit geschlossenen Augen neu zu erleben. So können wir die anderen Sinne außerhalb unseres Sehsinnesschulen. Dies ist eine hohe Schule des Survival und demnach extrem wichtig für das Überleben in der Natur.

Um diese essenzielle „Naturkompetenz“ weiter geben zu können, müssen wir einen Schritt zurück hinter das „reine Sehen“ treten. Es ist vielmehr ein lernen mit dem Herzen, eine intuitive Wahrnehmung der Dinge mit allen Sinnen gleichzeitig. Nicht nur das visuelle Bild, sondern auch Gerüche, Aromen, Geräusche und Texturen nehmen die Menschen bis ins kleinste Detail war, die sich auf Ihre Sinne verlassen müssen, um in der Natur zu leben und zu überleben.

Wenn du es schaffst dieses innere Auge ständig offen zu haben, dann kannst du völlig in deine Umgebung eintauchen und nimmst Dinge um ein Vielfaches mehr wahr. Diese Wahrnehmung ist ideal für alle Aktivitäten in der Natur, und lässt dich und deine Schüler eine dynamische “Natur-Intelligenz“ entwickeln.

Das Erntedankfest

Wieso ist „Thanksgiving“ eine Routine für das Naturbewusstsein? Wenn wir in uns ein großes Herz finden und eine Dankbarkeit für unsere Mitmenschen und alle Lebensformen der Natur finden, wenn wir im alltäglichen Leben die Dinge mit Demut beginnen, dann erinnern wir uns an die Dankbarkeit, die unsere Vorfahren hatten. Sie dankten jedem Naturphänomen, jedem Essen, denn all dies gab ihnen die Grundlagen zum Überleben.

Wir stärken mit dieser Anerkennung die gegenseitige Abhängigkeit aller Lebewesen und ihren Seinsgrund. Wenn wir „Danke“ sagen, erinnern wir uns an die Dinge um uns herum und begreifen unsere Abhängigkeit.

Die Geschichte des Tages

Das Geschichtenerzählen verbindet uns. In den indigenen Kulturen gingen die Männer lange hinaus auf die Jagd. Die Frauen, Großmütter und Kinder ernteten möglicherweise Beeren, Wurzelgemüse oder Rinde, um Faden und Stoff herzustellen. Am Abend versammelten sich alle gemeinsam am Feuer und erzählten sich Ihre Geschichten, welche sie über den Tag erlebt hatten. Dieser Austausch ist essenziell für den Zusammenhalt und die Entwicklung einer gemeinsamen Identität. Es schafft ein kollektives Gedächtnis und konzentriert Wissen und Weisheit.

Die Vogelsprache

Sei still und höre zu. Beruhige dich und recke deine Ohren und Augen in den Himmel, um die Signale und die Körpersprache zu bemerken die von den Vögeln, Tieren und anderen Menschen zu dir kommen. Welche Botschaft hörst du in ihren Stimmen?

Hinweis: es ist wichtig, dass diese Kern-Routinen kreativ, individuell und kunstvoll in unsere Arbeit als naturverbundene Natur-Mentoren eingebunden werden. In vielen Fällen nehmen die Menschen mit denen wir Arbeiten gar nicht wahr, dass sie sich mitten in der Praxis dieser Kern-Routinen befinden. Die Magie des Kojoten ist das Arbeiten im Hintergrund. Die Routinen sind Geschenke von uns Mentoren an unsere Schüler, unsichtbar für die Augen dort draußen.